Eine Lehrerfortbildung am CERN

Als ich bei einer Fortbildung hörte, dass es am CERN einwöchige Lehrerfortbildungen gibt, war mir klar: Da muss ich dabei sein! Noch am gleichen Tag schickte ich meine Bewerbung ab, musste dann aber ein halbes Jahr auf die ersehnte Zusage warten.

Die folgenden Wochen standen (neben der Arbeit an der Schule) ganz im Zeichen der Vorbereitung und ich konnte es kaum noch erwarten, das, was ich in Büchern gelesen hatte, nun auch in der Realität zu sehen. Ende Oktober ging es dann nach Genf, wo sich einige Kilometer außerhalb der Stadt das CERN-Gelände erstreckt. Von dem berühmten Beschleuniger, dem LHC, kann man nichts sehen, denn er befindet sich in  50 bis 175 Metern Tiefe unterhalb der Erde. Oberirdisch befinden sich Verwaltungsgebäude, Forschungslabors, Hörsäle, verschiedene Kontrollzentren, ein Hotel, die Cafeteria und das CERN-Schülerlabor. Viele dieser Gebäude haben wir in der Woche besichtigen dürfen. Erstaunt hat mich, dass man sich nach Passieren der Ausweiskontrolle am Eingang ziemlich frei bewegen kann und auch alles fotografieren darf. Die Labors und speziell die Kontrollzentren sind natürlich zusätzlich abgesichert, aber ansonsten darf man als Besucher überall herumlaufen und kommt in den Gängen auch mal in dem Flur vorbei, in dem das Internet erfunden wurde oder begegnet einem Nobelpreisträger. Einige Stunden habe ich auch in der Bibliothek verbracht: ein ganzer Saal voller Physikbücher, super!

Jeden Tag hatten wir Vorlesungen, die ausnahmslos von hoher Qualität waren. Den Vortragenden und auch allen anderen CERN-Mitarbeitern war ihre Begeisterung anzumerken. Die meisten Mitarbeiter sind übrigens keine Physiker, sondern Ingenieure. Das ist aber auch kein Wunder, denn was hier am CERN passiert ist eine technische Meisterleistung: Hier gibt es die stärksten Magnete der Welt (mit denen der Teilchenstrahl auf seine Ringbahn gezwungen wird) und den kältesten Ort der Welt (wodurch die starken Magnetfelder erst möglich werden). Der LHC hat einen Umfang von 27 km. Die Protonen werden auf so hohe Geschwindigkeiten beschleunigt, dass sie in einer Sekunde über 10.000 Umläufe schaffen. Dabei dürfen sie auf keinen Fall die Wände der nur wenige Zentimeter im Durchmesser messenden Strahlrohre treffen.

Besonders interessant waren aber die täglichen Besichtigungen. Angefangen von der Magnettesthalle, über den Besuch der Antimateriehalle bis zur Besichtigung des AMS-Kontrollzentrums, einem kleinen Stück NASA am CERN. Höhepunkt der Woche war die Besichtigung des ATLAS-Detektors. Am LHC gibt es insgesamt vier Detektoren, in denen die beiden sich entgegenlaufenden Teilchenstrahle kollidieren (Genaugenommen kollidieren von den 70 Millionen Protonen pro Paket jeweils nur etwa 20, aber Bruchteile einer Sekunde später kollidieren schon die nächsten beiden Pakete). Die Zerfallsprodukte dieser Kollisionen werden unter anderem im ATLAS-Detektor aufgespürt und die dabei entstehende unglaubliche Datenmenge ausgewertet (15 Millionen Gigabyte pro Jahr). Hier wurde auch 2012 das Higgs-Teilchen nachgewiesen, dessen Existenz bereits in den 60er Jahren vorausgesagt wurde. 2013 wurde dafür der Physik-Nobelpreis verliehen.

Obwohl es hier ja um unvorstellbar kleine Teilchen geht, ist derzylinderförmige ATLAS-Detektor mit einer Länge von 46 m und einem Durchmesser von 27 m sehr groß. Am Eingang gibt es übrigens den Augenscanner aus Illuminati (das einzige an dem Buch, was der Realität entspricht). Ein Besuch ist während des Betriebs des LHCs unmöglich, aber ich hatte das Glück in einer Instandhaltungspause dort zu sein. Inzwischen ist der LHC wieder in Betrieb und möglicherweise werden wir in nächster Zeit von neuen großen Entdeckungen hören.

Ich habe hier nur einen ganz kleinen Teil dessen aufgeschrieben, was ich in der Woche erlebt habe. Wer mehr hören möchte, kann mich gerne ansprechen.

Insgesamt kann ich sagen, dass der CERN-Besuch das Highlight meiner bisherigen Physiklehrerinnen-Laufbahn war. Jetzt, ein halbes Jahr nach der Fortbildung, packt mich die Begeisterung erneut. Übrigens gibt es auch noch eine mehrwöchige Lehrerfortbildung am CERN. Vielleicht sollte ich mich da auch mal bewerben…   (Stefanie Grabert)